Transalpine Run 2021 – einmal quer durch die Alpenwelt

  20.09.2021
7 Tage - 3 Länder - 2 Läufer - 1 Traum

Der Transalpine Run (TAR) zählt zu den härtesten, spektakulärsten und emotionalsten Trailrunning-Events der Welt und ist vergleichbar mit der Tour de France der Radfahrer, eben halt für Trailrunner. Ein Abenteuerlauf quer durch die Breite der Alpen hinweg, in welchem ca. 250 Kilometer Entfernung mit 15.000 Höhenmeter aufgeteilt in 7 Tagesetappen als Zweierteam zu bewältigen waren.
In diesem Jahr erfolgte der Start in Hirschegg im  Kleinwalsertal und führte über die Etappenorte Lech am Arlberg, St. Anton und Galtür in die Schweiz nach Klosters und Scuol und letztlich zum Zielort nach Prad am Stilfserjoch in Italien. <u5:p></u5:p>

Vom LIWA-Lauftreff waren in diesem Jahr gleich 6 Läufer*innen bzw. 3 Teams für dieses läuferische Highlight gemeldet. Das Trainerteam mit Karlheinz Dravec & Daniel Guggenmos, das Mixed-Team mit Johanna Banck-Burgess & Bernd Göhner und das Senioren-Team bestehend aus  Bernhard Bucher & Rolf Schwarz. Insgesamt waren 300 Teams aus 22 Nationen am Start. Sieben aufeinanderfolgende Tagesetappen mit unzähligen Gipfeln, ungefilterten Emotionen und atemberaubenden Panoramen als einzigartige Herausforderung für Trailrunner*innen. Jede einzelne Etappe musste dabei in Zweierteams absolviert werden. Gewertet werden nur jene Duos, die gemeinsam alle Kontrollstellen und das Ziel passiert haben. Das bringt einerseits zusätzliche Sicherheit und andererseits ein völlig neues Wettkampfgefühl. Es war Teamarbeit angesagt.

Während Bernhard, Rolf und Kalle schon auf TAR-Erfahrungen zurückschauen konnten, war es für Johanna, Bernd und Dani ein zunächst unbekanntes Abenteuer auf welches sie sich da einließen. Keiner von den Dreien hatte bis dato umfangreiche Trailrunning Erfahrung, keine Etappenläufe über mehrere Tage hinweg absolviert und schon gar nicht in alpinem Gelände und in Höhen von über 2.000 Metern. Begleitet wurden die sechs von Kirsten Guggenmos & Andrea Maier, welche die komplette Woche mit dem Auto von Ort zu Ort fuhren und die LIWA-Team´s vor, während und nach den Etappen supporteten wo es nur ging. <u5:p></u5:p>

Nach dem wettertechnisch doch sehr durchschnittlichen Sommer im Vorfeld, präsentierte sich die Alpenwelt während der ganzen Veranstaltungswoche wie aus dem Katalog und bescherte den Läufer*innen durchgehend perfekte Bedingungen. In der ersten beiden Etappe von Hirschegg nach Lech (32 km/1.900 hm) und weiter nach St. Anton (30 km/1.700 hm) ging es darum sich an die Umgebung zu gewöhnen, als Team in einen gemeinsamen Rhythmus zu finden und sich nicht in den ersten Tagen schon zu sehr zu verausgaben. Den Duos´s Berni & Rolf sowie Johanna & Bernd ging es anfangs darum die harten Cut-Off Zeiten an den Zwischenstationen einzuhalten, um im Rennen bleiben zu dürfen. Dani & Kalle reihten sich irgendwo im hinteren Mittelfeld des TAR ein.  Bis zum Ende der 2. Etappe hatte sich das Feld weitestgehend, auch leitungsmäßig sortiert. Man registrierte im Prinzip immer dieselben Teams um sich herum.

Bei der 3. Etappe von St. Anton nach Galtür (34 km/2.500 hm) ging es dann schon auf Höhen über 2.500 Metern ü.N. hinaus. Der höchste Punkt war die Querung des Kuchenhöchli mit 2.730 m.ü.N. Hier gab es auch erste Schneefelder und kleinere Kletterpassagen zu bewältigen. Und auch die Downhills wurden technisch immer anspruchsvoller. Leider konnte Berni diese Etappe verletzungsbedingt nicht beenden, was leider das Aus für die Teamwertung von Berni & Rolf bedeutete. Auch Johanna musste nach einem Sturz eine Rippenprellung und leichtere Schürfwunden wegstecken, konnte diese Etappe aber finishen.

Auf der 4. Tagestappe von Galtür nach Kloster war dann mit 43 km die bis dahin Längste. Erfreulich war, dass am frühen Morgen wieder alle sechs LIWA-Läufer am Start standen und in einen erneut wolkenlosen Himmel über den Bergen blicken durften. Für das Team Bucher/Schwarz war der offizielle Wettbewerb zwar beendet, doch sie durften weiterhin mitlaufen. Und auch Johanna stand trotz einer schmerzhaften Nacht pünktlich am Start, denn aufgeben war für sie keine Option! Es würde schon irgendwie weitergehen, Schritt für Schritt, Tritt für Tritt. Wir sind Läufer! 
Erstmals mussten auch mit 2.500 im Downhill deutlich mehr Höhenmeter abwärts von den Oberschenkeln verarbeitet werden, als bei den 2.100 hm nach oben. Beim größten Teil der Läufer*innen ließen nun die Kräfte und die Konzentrationsfähigkeit deutlich nach. Die Beine waren schwer, der Rücken schmerzte, die Hände angeschwollen, Blasen an den Füßen,  Beschwerden an Sehnen und Bändern, auch das Atmen wurde zunehmend mühsamer. So blieben auch die anderen LIWA-Läufer von kleineren Stürzen nicht verschont. Dani & Kalle benötigten 8 Stunden, Johanna & Bernd 10,5 Stunden bis zum Zieleinlauf in Klosters. Diverse Prellung und kleinere Wunden schrien förmlich nach einer Pause.<u5:p></u5:p>

Für den 5. Tag hatten die Veranstalter einen sogenannten Bergsprint eingeplant. Auf den  „nur“ 8,7 km mit fast 1.000 hm von Klosters Dorf  hoch zur Bergstation der Madrisa Bahn war die 2 Minuten Teamregelung aufgehoben. Jeder konnte für sich so schnell sein wie er wollte bzw. noch konnte. Ähnlich wie das Zeitfahren bei der Tour de France startete das Feld in umgekehrter Reihenfolge der aktuellen Platzierungen. Am Ende floss die Zeit des letzteren in die Team-Wertung ein. Dieser Bergsprint war irgendwie Fluch und Segen zugleich. Er folgte zur Hälfte des Rennens, versprach einem quasi einen „Ruhetag“ und brach dann doch den Rhythmus, denn irgendwie ist man im Feld, wo ständig ein Schnellerer von hinten heranprescht doch auch sehr gefordert. Es war zudem auch noch einer der wärmsten Tage. Da das Spektakel schon um die Mittagszeit vorbei war, konnte man einen ganzen Nachmittag lang die Beine endlich mal hochlegen, bevor es in den nächsten Tagen in die letzten und längsten Etappen ging.
Am Abend wurde noch bekanntgegeben, dass die lokale Gemeindeverwaltung am ursprünglich geplanten Zielort in Sulden am Ortler, die Genehmigung für die letzte Etappe wegen der aktuellen Corona Entwicklung in Italien zurückzog. Das bedeutete, dass nach der 7. Etappe in Prad am Stilfserjoch die Tour ihr finales Ende hatte. So richtig traurig darüber waren zu diesem Zeitpunkt wohl nur die allerwenigsten Teilnehmer*innen.<u5:p></u5:p>

Die 6. Etappe von Klosters nach Scoul war mit 47 km und 2.500 hm die sogenannte Königsetappe. Trotz des halben Ruhetages machte sich der Kräfteverschleiß immer deutlicher bemerkbar. Das zunehmend alpinere Gelände mit unendlichen Anstiegen in schroffen Steinpassagen und technisch sehr herausfordernden Abstiegen über verblockte Felsenlandschaften und losen Geröllfeldern, erforderte höchste Konzentration und auch eine ordentliche Portion an mentaler Stärke. Was half, war das geniale Wetter und die damit verbundenen sensationellen Aussichten. Mal kurz anhalten, tief durchatmen und den Blick in ein 360 Grad weites Panorama schweifen lassen. Unbezahlbare Momente, welche die ganzen Strapazen mal kurz vergessen lassen. Ein Blick nach hinten, auf das was man schon geleistet hat und ein Blick nach vorne, was noch auf einen zukommt. Tief einatmen und weiter gings. Dani & Kalle waren fast 9 Stunden, Johanna &  Bernd 11,5 Stunden unterwegs. Leider stürzte Rolf, der immer noch als Einzelläufer täglich mit am Start war, er zog sich dabei eine so starke Hüftprellung zu, dass er am folgenden Checkpoint aufgeben musste. 

Auf der dann  7. und letzten Etappe in Richtung Italien (45 km / 2.500 hm)  ging es nur noch darum, diese Tour möglichst unversehrt und erfolgreich zu Ende zu bringen. Nochmal um 5 Uhr aufstehen und sich in die Laufklamotten zwängen, sich die schon ziemlich abgenutzten Schuhe binden und den Laufrucksack beim Eintritt in den Startblock auf die Pflichtausrüstung prüfen lassen. Noch einmal durch alle Höhen und Tiefen dieses Wettkampfes. Das Wetter wieder genial! 
Zum Finale erreichte man auch noch den höchsten Punkt der gesamten Tour, den Fuorcla de Rims auf 2.975 m .ü.N. Danach ging es im Prinzip 30 Kilometer lang mehr oder weniger bergab. Weniger deshalb, weil mittlerweile jeder auch nur noch so kurze Anstieg zur lästigen Qual wurde. Wann hört das endlich auf? Die letzten Kilometer zogen sich ins unendliche. Mit den Gedanken schon längst im Ziel versuchte man den Körper irgendwie noch am laufen zu halten. Wie viele Kurven sind es denn noch? Nach der Uhr müssten wir schon längst übers Ziel hinausgeschossen sein!

Doch dann kam er, der Zieleinlauf vor den Toren von Prad am Stilfserjoch. Das letzte Mal unter den Zielbogen und über die Zielmatte war für jeden Einzelnen ein sehr emotionaler Moment. Die letzten Schritte nach 7 Tagen, 250 Kilometern und 15.000 Höhenmetern. Man hört seinen Namen über die Lautsprecher, am Rande nimmt man die jubelnde Crew wahr, man umarmt sich und beglückwünscht sich gegenseitig in leisen Tönen. Man nimmt die Medaille entgegen - es ist vollbracht. Man hat im Wettkampfmodus die Alpen überquert. Es sind die Sekunden in denen sich Erleichterung, Dankbarkeit und Stolz im Körper ausbreiten und so mancher sich ein wenig als Held fühlt. Jeder nimmt das für sich persönlich und im tiefsten Inneren wahr. Nein, es war kein Traum, es war real, man hat es erlebt, für sich, als Team, als Teil eines ganz großen Events. 

Am Ende erreichten 220 Teams das Ziel in Prad, was einer Ausfallquote von fast 30 Prozent entspricht. Kalle & Dani benötigten insgesamt 45:49:02 Stunden und belegten am Ende den 37. Platz in der Master-Men Wertung. Johanna & Bernd waren 57:31:27 Stunden unterwegs und erreichten damit Rang 16 in der Senior-Master-Mixed Klasse. Am Ende ist das Ergebnis egal, man hat es geschafft, war glücklich und hatte sogar noch ausreichend Kräfte, um bei der abschließenden Finisherparty nochmal richtig abzurocken.

Manche werden es als härteste Herausforderung ihres Lebens bezeichnen, andere als einen ihrer schönsten Sommerurlaube der vergangen Jahre einordnen. Die Schmerzen vergehen, der Stolz bleibt für immer! <u5:p></u5:p>

 

Karlheinz Dravec

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