PolarNight Marathon/Halbmarathon in Tromsø/Norwegen
Tromsø ist die größte Stadt nördlich des Polarkreises, verteilt sich auf mehrere Inseln, ist umgeben von Fjorden, spitzen Berggipfeln, bildet die sogenannte Pforte zum Eismeer und gilt als einer der chancenreichsten Orte um das berühmte Nordlicht zu sehen.
Warum reist man bis fast an den nördlichsten Punkt Europas, um dann in eisiger Kälte und permanenter Dunkelheit einen Marathon zu laufen?
Es war die Neugier und Abenteuerlust gerade unter diesen extremeren Bedingungen die Herausforderungen eines Marathons zu bestehen.
Natürlich war man auch gespannt auf die Polarlichter „Aurora Borealis“ und darauf, wie es ist ein paar Tage lang ausschließlich im Dunkeln zu verbringen.
Wir sind bereits 2 Tage vor dem Lauf nach Tromsø angereist, sozusagen um uns ein wenig zu akklimatisieren. Und schon bei der Ankunft wurde uns klar, welche Bedingungen uns auch während des Laufes erwarten könnten. Das erste Highlight hatten wir noch am ersten Abend. Bei Temperaturen um – 15 Grad und einigermaßen wolkenfreien Himmel spazierten wir zu einem tief zugefrorenen See, von welchem aus wir tatsächlich erstmals Polarlichter mit eigenen Augen sehen konnten. Ein beeindruckendes Luftphänomen, welches wir bisher nur von Bildern oder aus Filmen kannten.
Am zweiten Tag konnten wir die Stadt besichtigen, mit einer Bahn auf den Hausberg „Storsteinen“ fahren und dort einen phantastischen Rundumblick genießen. Gefühltes Tageslicht gab es nur zwischen 11 – 13:30 Uhr. Ansonsten war es dunkel bzw. Nacht.
Am Abend gingen wir dann unsere Startnummern für die Läufe abholen. Andrea hatte für den Halbmarathon (21,1 km) gemeldet, Kalle für den Marathon (42,2 km).
Natürlich hatten wir schon genauere Vorstellungen vom Wettkampfoutfit, doch was auch unter den anderen Teilnehmern am meisten diskutiert wurde, war welche Schuhe die beste Wahl sind? Mit Spikes oder eher ohne? Die Straßen innerhalb der Stadt waren zwar weitestgehend geräumt und gestreut, doch vor allem an den Rändern war es doch auch teilweise glatt. Zudem wurden für den Zeitraum der Läufe neue Schneefälle angesagt. Diese Entscheidung sollte unmittelbar vor dem Start der Läufe getroffen werden. Die letzte Vorbereitung wurde dann in der nördlichsten Brauerei der Welt abgeschlossen.
Kalle beim PolarNight Marathon
Am Samstag war es dann so weit. Kalle und 99 weitere Lauf-Abenteurer wurden am späten Vormittag mit dem Bus zum Start des Marathons transferiert. Dieser lag 40 Kilometer außerhalb von Tromsø, auf einer vorgelagerten Insel in Kjattfjord, an der abgelegenen Außenküste, irgendwo bei den Eisbären und Trollen. Der Marathon war eine One-Way Strecke, entlang an Fjorden, über ein paar Hügel zurück in die Stadt.
Glücklicherweise war es zum Zeitpunkt des Starts um 13:00 Uhr mit nur -4 Grad noch fast die „wärmste“ Phase während des gesamten Aufenthalts dort. Die Verhältnisse waren unerwartet gut und Kalle zog es vor in normalen Trail Schuhen ohne zusätzliche Spikes zu laufen. Direkt nach dem Start ging es auf der einzig befestigten Straße der Insel entlang. Der Weg war leicht mit Schnee bedeckt und wenig vereist, sodass man stabilen Halt unter den Sohlen hatte. Das Szenario der schneebedeckten Landschaft drumherum war beeindruckend. Ein Winteridyll wie aus dem Bilderbuch.
Schon eine halbe Stunde später lief man in die Dunkelheit hinein. Das Feld, des auf 100 Teilnehmer limitierten Wettkampfes, zog sich schnell auseinander. Man war die meiste Zeit allein für sich unterwegs. Nach ein paar Hügeln und Kurven und mit zunehmender Dunkelheit wurden die Bedingungen durch einsetzen Schneefall und Winden aus allen Richtungen immer rauer. Da nebenher die Landschaft zu fotografieren keinen Sinn mehr machte, konnte Kalle sich voll und ganz aufs irgendwie in Bewegung zu bleiben konzentrieren. Das Gesicht wurde mit einem Schall geschützt und ein zweites Paar Handschuhe über die dünneren halfen das zunehmende Frieren zu verzögern. Ziemlich genau nach der Hälfte der Strecke bog man wieder in die Zivilisation ein. Ab hier ging es über die Nebenortschaften auf einem gut beleuchteten Radweg entlang in Richtung Tromsø. Nach ca. 32 km ging es schließlich über die Sandnesssundbrua, welche mit einer Höhe von 41 Metern und einer Länge von 1,2 km die höchste Brücke in Tromsø ist. Kreuzfahrten erleben hier ihren Höhepunkt. Doch die cruisen schön gemütlich unten durch während die Läufer nach schon über 3 Stunden Kampf in den Beinen jetzt bei Blizzard artigen Windböen und starken Schneefällen oben drüber laufen mussten. Augen zu und drüber, denn durch den eiskalten Wind drohten die tränenden Augen trotz dem Schutz einer Brille zu gefrieren.
Am Ende der Brücke traf man auf die Halbmarathon Läufer, die dort ihren Wendepunkt hatten. Jetzt waren es noch gute 8 Kilometer. Doch auf diesen 8 km waren nochmal fordernde 150 Höhenmeter zu bewältigen. Der immer mehr mit Schnee bedeckte Boden erschwerte das Laufen zusätzlich. Es waren die Bedingungen, mit denen hier gerechnet werden musste. Kalle konnte hier auf seine jahrelange Erfahrung zurückgreifen, fand einen guten Rhythmus und zog es bis zum Zieleinlauf durch. Mit einer Laufzeit von 3:56:03 Stunden lief er ziemlich erschöpft auf Rang 38. der Gesamtwertung uns als Erster seiner Altersklasse M60 ins Ziel.
Andrea beim PolarNight Halbmarathon
Während die Marathon Distanz erst zum zweiten Mal auf dem Programm stand, feierte der Halbmarathon sein 20-jähriges Jubiläum. Die Strecke führte vom Zentrum in Tromsø hinaus bis zum Flughafen und wieder zurück. Hier war es zum Start um 15:00 Uhr gefühlt bereits mitten in der Nacht. Auch dieser Lauf war mit 850 Teilnehmern komplett ausgebucht. Nach einem kurzen gemeinsamen Aufwärmprogramm ging es auch schon los aus der noch weihnachtlich geschmückten Innenstadt hinaus in Richtung Flughafen. Wie schon oben beschrieben setzte heftiges Schneetreiben und ein eisiger Wind ein. Die Strecke war gut ausgeleuchtet und allesinallem auch gut laufbar. Andrea lief zunächst mit einer Bekannten aus der gemeinsamen Reisegruppe los, fand einen guten Rhythmus und setzte sich dann nach wenige Kilometern nach und nach ab. Bis zum Wendepunkt ging es leicht bergab, was aber auch bedeutete, dass es auf dem Rückweg die letzten Kilometer eben wieder bergauf gehen musste. Andrea kämpfte sich bei eisigem Gegenwind und Schneefall und unter motivierenden Anfeuerungsrufen von zahlreichen Zuschauern, die bei diesen Bedingungen am Rande ausharrten, Kilometer für Kilometer zurück bis zur langen Zielgeraden. Der Zieleinlauf war dann purer Genuss. Andrea finishte ihren Abenteuerlauf in einer Zeit von 2:33:06 Std. Etwas durchgefroren aber völlig happy ließ sie sich ihre verdiente Finisher Medaille um den Hals hängen.
Geschützt mit Umhängefolien ging es zurück ins naheliegende Hotel. Einen heißen Tee und eine warme Dusche später ging es auch schon zur Siegerehrung und zum Abschluss Buffet. Insgesamt hatten 2.200 Läuferinnen und Läufer aus 61 Nationen über alle Laufwettbewerbe hinweg teilgenommen. Das internationale Flair und der rege Austausch mit anderen „Verrückten“ rundete den Lauftag ab.
Für den nächsten Tag hatten wir noch eine Schlittenhund Tour geplant, die ebenso abenteuerlich und beeindruckend war.
Es war ein Traum. Nicht nur der Lauf, sondern auch die Tage mit den zusätzlichen Aktivitäten drumherum.
Beim Rückflug hatten wir das Glück eine der ersten Maschinen an dem Tag gebucht zu haben. Denn nur etwas später wurde der Flugbetrieb aufgrund extremer Schneefälle für den Rest des Tages eingestellt. Glück gehabt, fast hätte das Abenteuer eine zusätzliche Herausforderung für uns hervorgebracht.