MidnightSun Marathon in Tromsø (Norwegen)

  22.06.2024
Rolf Roos berichtet von seinen Erlebnissen im hohen Norden von Norwegen

Einen Marathon mit 70 laufen? Innerhalb der Läuferfamilie in der Tat nichts Besonderes. Mit implantiertem Herzschrittmacher? Ist machbar, man muss nur seinen Puls im Auge behalten. Außerhalb unserer Läufergemeinschaft löst es allerdings meist nur Kopfschütteln aus.

Mein weitest entfernter Marathon war zum Fünfzigsten auf Hawaii. Zum Siebzigsten soll es nun der nördlichste offizielle Marathon sein:

Tromsø ist mit über 78 000 Einwohner die Hauptstadt Nordnorwegens. Sie liegt 350 Kilometer nördlich des Polarkreises und bietet eine interessante Mischung aus norwegischer und samischer Kultur. Nach einer turbulenten Anreise (5 mal starten und landen, und einen Tag Verspätung), dauerte es nicht mehr lange bis zum Start. Laut Veranstalter waren für die fünf verschiedenen Distanzen (Marathon, Halbmarathon, 10 km, 5 km und 500 Meter) 7000 Läufer aus 88 Nationen gemeldet.

Der ausgebuchte Marathon war mit 1435 angemeldeten Läuferinnen und Läufer überschaubar und hatte beinahe einen familiären Charakter. Der Start war im Zentrum, am Rathaus. Schon nach einem Kilometer verläuft die Marathonstrecke über die 1,1 Kilometer lange und 43 Meter hohe Tromsø-Brücke und bringt die Läufer nach Tromsdalen aufs Festland. Vorbei an der herrlichen Eismeer-Kathedrale schlängelt sich die Strecke immer am Fjord entlang. Die Bedingungen waren mit 12 Grad und einem wolkenlosen Himmel ideal, und so glänzten die Schneereste in den Bergen im abendlichen Sonnenlicht.

Nach 16 Kilometer war der südliche Wendepunkt erreicht, und es ging wieder zurück Richtung Innenstadt. Kilometer 21,1, ein herrlicher Rundumblick über den Fjord und auf die Berge, mitten in der nordischen Natur. Exakt zur Mitternachtssonne befand ich mich wieder auf der Tromsø-Brücke und passierte Kilometer 31. Bei diesem Lauf werden übrigens die Kilometer rückwärts gezählt. Die Beschilderung beginnt bei Kilometer 41 und endet bei Kilometer 1!

Weiter ging es wieder durch die Innenstadt, vorbei am Hotel, das Ziel in greifbarer Nähe, aber es fehlen ja noch 10 Kilometer. Die Laufstrecke verlief wieder am Fjord entlang, dieses Mal aber Richtung Flughafen. Endlich, nach weiteren 5 Kilometer kam auch hier der Wendepunkt. Mittlerweile war es 1 Stunde nach Mitternacht und die tiefstehende Sonne scheint mir wärmend ins Gesicht. Auch die Beine wurden immer schwerer, jeder Marathoni kennt das, aber das Ziel vor Augen mobilisiert nochmals die Kräfte. Vorbei an der nördlichsten Brauerei, erlebt man einen wunderbaren Zieleinlauf direkt an der Tromsø-Domkirche.

Nach 5 Stunden 24 Minuten und insgesamt 229 Höhenmeter kam ich als 1062. ins Ziel. Solch eine hintere Platzierung war natürlich zu erwarten, trotzdem war dieser Marathon einer der besonderen Art. Ärgerlich war allerdings für viele Laufkameradinnen und Kameraden, dass nach 5 Stunden und 33 Minuten keine Zeitnahme mehr erfolgte. Viele Läuferinnen und Läufer kamen danach noch ins Ziel und wurden doch in gewisser Weise um ihren Lohn gebracht.

Nach ausgiebigen Tests und Proben bezüglich der nordischen Braukunst besuchten wir in den darauffolgenden Tagen noch etliche Museen und ein herrliches Orgelkonzert in der Eismeer-Kathedrale mit ihrer weltbekannten Akustik. Und nach einem mehrtägigen Zwischenstopp in Oslo bei hochsommerlichen Temperaturen, werden wieder die Laufkilometer auf unserem herrlichen Schurwald zurückgelegt.

Rolf Roos

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