Mein erster Ultra

  26.07.2021
Ein ganz persönlicher Erfahrungsbericht von Martin Dunker

Mein Laufpartner für die langen Einheiten, mit dem ich seit rund einem Jahr regelmäßig am Wochenende laufen gehe, ist passionierter Ultraläufer und schwärmt mir jedes Mal von seinen Ultras vor. Bisher hat er es aber noch nicht geschafft, mich davon zu überzeugen. Zum einen haben mir ein bis zwei Marathon Wettkämpfe im Jahr gereicht, zum anderen sind diese Ultras (zumindest seine) immer so weit weg und damit viel zu zeitaufwendig. Und was soll ich dafür denn eigentlich trainieren, muss ich da 150 km in der Woche laufen um das zu schaffen? Viel zu anstrengend alles… Und dann kommt da plötzlich so ein Ultra direkt vor der eigenen Haustüre daher, geschickt getarnt als 24-h-Spendenlauf, und bringt mich doch tatsächlich ins Grübeln. Hm, soll ich wirklich mal da mitmachen? Aber weiter als 43 km war ich noch nie gelaufen und wenn dann als Wettkampf. Danach war ich dann aber immer mehrere Tage völlig platt und hatte einen Mords Muskelkater…. Aber die Ausschreibung klang echt verlockend. Man könnte jederzeit Aussteigen, wenn man nicht mehr kann und ist dabei dann nicht irgendwo hoch oben in den Alpen unterwegs, wohlmöglich noch 30 km bis zum Ziel. Und für welche Strecke soll ich mich anmelden? Also 100 km oder 160 km schon mal gar nicht. Das ist doch nur was für verrückte. Und in 24 h so viele Kilometer sammeln wie es geht, auch nicht. Schließlich will ich einen Lauf machen und nicht mehrere. Verlockend klingt es in der Ausschreibung allerdings schon, dass man ab 80 km in eine Extra-Wertung kommt, aber man sollte ja nicht gleich beim ersten Mal übers Ziel hinausschießen. Und man kann ja einfach noch was dranhängen, sollte es unerwartet gut laufen. Der nächste Gedanke kommt, ist das nicht langweilig so viele Runden zu drehen, was ist, wenn ich da alleine laufen muss weil alle anderen schneller oder langsamer sind. Drei Stunden, ja ok, kein Problem, aber wohlmöglich mehr als fünf Stunden? Ein erfahrener Ultraläufer den ich im Vorfeld mit meinen ganzen Gedanken und Fragen genervt hatte, meinte schließlich treffend, ich solle einfach mal den Kopf ausschalten und loslaufen. Wie recht er doch hatte J

Der große Tag war da. Ein wenig aufgeregt war ich schon. Hatte ich für diese Herausforderung genug gegessen, oder vielleicht sogar zu viel? Gehe ich mit Ausrüstung auf die Strecke oder ohne? Dann kam der Start. In die Liste eingetragen und los ging es. Bei leichter Bewölkung und angenehmen 25 °C ging es in einer 6er Gruppe auf die Strecke. Für mich ungewohnt langsam, aber gut, die anderen sind die erfahrenen Ultras und wissen wie man es sich einteilen muss. Die erste Runde war sehr kurzweilig und nach einer Stunde waren wir schon wieder an der Verpflegungsstation. Nach kurzer Flüssigkeitsaufnahme ging es wieder weiter. Wobei mir diese Pause schon extrem lang vorkam. Ich dachte man muss hier durchlaufen? Außerdem läuft uns unser schöner Kilometerschnitt von leicht unter 6 Min/km nach oben davon. Inzwischen war auch die Sonne herausgekommen. Unser Grüppchen zog sich schon ein wenig auseinander. Die gemeinsame Pause nach der zweiten Runde war schon ein wenig länger und es dauerte bis wir wieder zusammen starteten. Dann allerdings war ich so kribbelig, dass ich doch etwas vorauslief und schließlich nach der dritten Runde alleine und mit Vorsprung am Start-Zielbereich ankam. So lief ich dann auch meine vierte Runde alleine. In der fünften Runde war es dann soweit, mit jedem Kilometer hatte ich einen neuen persönlichen Streckenrekord aufgestellt. Auch diese, ursprünglich letzte geplante Runde lief dank des insgesamt langsameren Lauftempos ungewohnt gut. Glücklich wieder am Verpflegungspunkt angekommen, konnte ich mich sogar als erster an diesem Tag in die Liste für die 50 km eintragen. Tja, was nun? Ziel erreicht und jetzt? Die Versuchung war schon sehr groß, bei all diesen Köstlichkeiten die es hier gab sich einfach hinzusetzen und genüsslich zu speisen. Aber da sich die Beine noch so gut anfühlten, reizte es mich schon, noch wenigstens eine Runde dran zu hängen. Puh, diese Runde war dann aber auch ziemlich zäh. Wieder im Ziel musste ich mich erstmals setzen. Soll ich jetzt aufhören, ich habe doch meinen persönlichen Langstreckenrekord schon pulverisiert. Aber der Gedanke daran, mich noch in die Liste bei 80 km eintragen zu können war auch verlockend. Sind doch auch „nur“ noch 2 Runden. Gott sei Dank konnte ich meine 7. Runde fast komplett mit einem erfahrenen Ultraläufer absolvieren, so fiel mir die Strecke auch nicht ganz so schwer. Wieder im Ziel meinte er sogar, dass dies heute seine bisher schnellste Runde war. Hups, war keine Absicht von mir… Nun war es dunkel draußen und ich machte mich zusammen mit einem anderen erfahrenen Ultra auf meine letzte Runde. Die Beine waren schon ganz schön schwer aber die Aussicht auf die Eintragung in die Liste und auf das Buffet ließen mich voran laufen. Gut das mein Mitläufer eine leuchtstarke Stirnlampe dabei hatte, sonst hätten wir sicherlich den ein oder anderen Frosch nicht gesehen. Am tiefsten Punkt der Runde in Hegenlohe, verabschiedete ich mich von meinem Laufbegleiter, mobilisierte nochmal alle Kräfte und lief den Rest im flotten Lauftempo ins Ziel.

Wow, geile Erfahrung. Glücksdurchflutet hätte ich es wahrscheinlich auch noch geschafft die 100 voll zu bekommen. Aber nein, man soll es beim ersten Mal nicht übertreiben, dass hatte ich ja jetzt mit den 80 schon und man muss sich auch noch Ziele für die Zukunft lassen. Erstaunlich zu was der eigene Körper alles fähig ist, wenn man es nicht zu schnell angeht und immer ausreichend Pausen einlegt. Interessant auch (zumindest für mich), dass ich trotzt einer Flüssigkeitsaufnahme von rund 3 Litern während des Rennens, die gesamten 9 Stunden nicht aufs Klo musste. Der Muskelkater zeigte sich wie zu erwarten dann am nächsten Tag in all seiner Pracht. So dauerte es dann auch jedes Mal gefühlt 3 Minuten, bis ich vom ersten Stock ins Erdgeschoss hinuntergekrochen bin.

Fazit für mich nach meinem ersten Ultra: Man kann einen Ultra laufen, muss es aber auch nicht. Es ist möglich ihn zu laufen, auch ohne riesige Kilometerumfänge im Training zuvor. Eine Erfahrung war es auf jeden Fall wert. Das tolle Gefühl so etwas geschafft zu haben bleibt für immer und nun gehöre ich auch du diesen „Verrückten“ J.

erstellt von Martin Dunker

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