Karlheinz Dravec finisht den Spartathlon (246 km)

  30.09.2021

Der LIWA-Ultra-Distanz Läufer Karlheinz Dravec finisht innerhalb von nur 2 Wochen gleich zwei der größten Herausforderungen für Trail- und Ultra-Distanz Läufer überhaupt.
Zuerst den Trans Alpine Run, welcher als eines der härtesten und zugleich spektakulärsten Trailrunning Events der Welt bezeichnet wird und nur wenige Tage später auch den historisch belegten Spartathlon, welcher als das wohl größte und eines der schwierigsten und härtesten Ultradistanzrennen der Welt in den internationalen Wettkampflisten geführt wird. Während es beim Trans Alpine Run 250 Kilometer mit 15.000 Höhenmetern in 7 Tagesetappen vom Kleinwalsertal aus über die teils schroffe Alpen-Welt bis nach Südtirol ging, war der Spartathlon ein nonstop Straßen Lauf über 246 km und 3.000 hm mit einem Zeitlimit von 36 Stunden in der sengenden griechischen Hitze. Beide Wettbewerbe sind für sich einzigartig, in keinster Weise vergleichbar und für die allermeisten Läufer*innen ein kaum erreichbares Ziel. Kalle hat beide Wettkämpfe direkt hintereinander erfolgreich bestritten. 

Der Spartathlon beruht auf den  Spuren des griechischen Boten Pheidippides der 490 v. Chr., vor der Schlacht von Marathon, nach Sparta geschickt wurde, um Hilfe im Krieg zwischen den Griechen und den Persern zu suchen. Den Überlieferungen nach begab er sich morgens auf die 246 Kilometer lange Strecke und kam am Abend des folgenden Tages in Sparta an. Bei der nunmehr 39. Auflage zu Ehren des griechischen Helden, war Kalle komplett auf sich alleine gestellt. Er war ohne persönliche Begleitung nach Griechenland angereist.

Gerne nimmt er euch hier folgend mit auf sein bisher längstes Laufabenteuer:
Am Start im Schatten der geschichtsträchtigen Akropolis in Athen hatten sich am Freitag, den 24. September 280 Athleten*innen aus 53 Nationen versammelt. Auf den 246 Kilometern bis nach Sparta musste überwiegend am Seitenrand von Hauptverkehrsstraßen gelaufen werden. Allein schon die ersten 20 Kilometer aus Athen hinaus, waren auf der nur mäßig abgesicherten Laufstrecke, sehr abenteuerlich. Später entzerrte sich das Feld merklich, man hatte deutlich mehr Platz, Übersicht und gefühlt auch mehr Sicherheit. Neben den Autos, Bussen und LKW´s, die rauschend und hupend an den Läufern vorbeifuhren, wurde man auch ständig von Hundegebell angetrieben irgendwie im Schritt zu bleiben. Ich hatte mich einer kleinen Gruppe deutscher Läufer angeschlossen. Danach folgte der schönste Abschnitt. Die weiteren 60 Kilometer bis zum Kanal von Corinth verliefen auf der Küstenstraße und man hatte fast ständig das blaue Meer vor Augen. Aber auch die immer höher stehende Sonne über dem Kopf. Es war heiß. Bis Corinth gab es sehr sportliche Cut Off Zeiten einzuhalten. Wer dies 80 km nicht binnen 9,5 Stunden erreicht hatte, für den war das Rennen hier beendet. Das ist ein Durchschnitt von 7 Min./km und man hat dann ja noch 165 km vor sich. Wir hatten einen guten und gleichmäßigen Schritt in der Gruppe, unterhielten uns ganz gut ohne dabei jedoch die Cut Off Zeiten aus den Augen zu verlieren. Für mich war das bis zu diesem Zeitpunkt ein eher zurückhaltendes Tempo, aber ich wollte Kräfte schonen und wir liefen gemeinsam ein sicheres Zeitpolster heraus. Nach Corinth riss die Gruppe auseinander. Ich musste jetzt eine Weile mein eigenes Tempo machen und setzte mich zunehmend ab. Den Check Point bei 100 km erreichte ich nach ziemlich genau 11 Stunden. Ich hatte mir hier einen Laufrucksack mit Equipment für die Nacht deponieren lassen. Kurz danach begann die Dämmerung und die Landschaft wurde zunehmend karger. Es folgten die ersten längeren Anstiege. Man war jetzt nicht mehr ganz so viel auf den Hauptstraßen unterwegs und durchquerte viele kleine Dörfer. Das Bellen der Hunde blieb auch hier ein stetiger Begleiter. Es wurde immer kühler und windiger. Das Anlegen zusätzlicher Kleidung war unumgänglich. Nach 150 Kilometern folgte der herausforderndste Abschnitt. Die Überquerung das Sangas-Passes (1.100 NN). Auf 13 Kilometern waren 900 Höhenmeter zu bewältigen. Schroffes Gelände, steile Anstiege, schmale Eselswege, halsbrecherische Downhills, die vergleichbar mit denen beim Trans Alpine Run in den Alpen waren. Ich profitierte hier von meiner Alpenerfahrung und kletterte die Serpentinen zielstrebig nach oben. Und das bei eisigen Winden und mitten in der Nacht. Es ist einer dieser Knackpunkt-Stellen. Hier scheitern 2/3 all derer, die das Ziel in Sparta letztlich nicht erreichen. Wer diesen extrem kräftezehrenden Abschnitt schafft und danach noch mindestens eine gute halbe Stunde Zeitguthaben hat, der kann den verbleibenden 85 Kilometer zuversichtlich entgegensehen. Ich machte in der Nacht über 40 Plätze gut.

Nach 24 Stunden war ich bereits 186 km weit gelaufen und hatte für die noch verbleibenden 60 km 12 Stunden Zeit. Es ging mir immer noch sehr gut und ich wusste in diesem Moment, dass mich nur noch eine schwerere Verletzung stoppen konnte. Beim nächstgrößeren Check Point, bei km 195, hatte ich mir schon ein Zeitbudget 2:50 Stunden herausgelaufen. Der Tag war noch etwas frisch und ich gönnte mir eine fast 20 minütige Pause.  Ich ließ mir von bereitstehenden Physiotherapeuten die Beine ordentlich durchmassieren und genoss ein erfrischendes Bier, welches ich mir dort in einem Dropback hatte deponieren lassen. Hier legte ich auch den Rucksack mit Jacke und Lampe wieder ab und war voll motiviert für den Schlussspurt. Schon bald ging es wieder zurück auf die Hauptverkehrsadern. Die Luft erwärmte sich rasant und schnell waren Temperaturen um die 35 Grad erreicht. Der Asphalt glühte, die Sohlen brannten. Die Strecke war im weiteren Verlauf sehr wellig mit immer wieder nicht enden wollenden Anstiegen, am vermüllten Straßenrand entlang, Auge in Auge mit den heranbrausenden Fahrzeugen, die mal etwas Abstand hielten, manchmal eben auch nicht.  Die Luft war heiß und voller Abgase. Ich nutze das bereitgestellte Eis an den Verpflegungsstellen mehr dazu, um meine Beine und meinen Kopf damit abzukühlen, als für Wasser oder Cola. Das Wasser in den Eimern hatte teilweise schon Umgebungstemperatur. Es ging jetzt nur noch im Run & Walk Modus. Laufen solange es geht, gehen solange bis es wieder läuft. Wir sprechen hier von 100-200 Meter Abschnitten. Was will man in diesem Moment? Irgendwie nur fertigwerden, das Ding möglichst schnell beenden. Die letzten 20 km bis nach Sparta ging es fast nur noch leicht bergab. Aber auch das stetige Bergablaufen wurde für die meisten zur Qual. Auch hier profitierte ich von der, durch den Trans Alpine Run ausgebildeten, Muskulatur und konnte einigermaßen im Laufschritt bleiben. Die wenigen schattige Abschnitte nutze ich für erholsame Gehpausen.

Die letzten 5 km bis Sparta sind unendlich. Ich sah keine Läufer vor und auch keine hinter mir. Ich war allein und unsicher, ob ich überhaupt noch richtig bin. Man hat das Gefühl, dass die Hitze die Straßen noch weiter ausgedehnt hat. Die wenigen Menschen am Straßenrand applaudieren einem, vorbeifahrende Autos quälen ihre Hupen. Am Ortseingang von Sparta - der letzte Check Point. Danach sind es noch fast 3 Kilometer durch den Ort. Es geht wieder bergauf, mitten auf der Straße, weil Gehwege und die erste Fahrbahnreihe komplett zugestellt oder zugeparkt sind. Es ist einem egal. Ich gehe weiter und versuche am Horizont die Statue von König Leonidas zu erkennen. Den Fuß dieser Statute zu berühren ist das Ziel. Doch keine Statute in Sicht. Kreuzung für Kreuzung geht es weiter. Endlich fährt ein Polizist auf dem Motorrad neben mich und zeigt mir dass ich abbiegen muss. Wann sind wir endlich da? Ich biege voller Hoffnung um die Ecke und sehe dass es noch weiter bergauf geht. Warum haben sie diese blöde Statute denn nur ans andere Ende der Stadt gebaut? Dann endlich ist eine Beflaggung in Sicht. Noch einmal abbiegen und man hat die letzten 500 Meter vor sich. Der Polizist dreht mit seinem Motorrad ab. Die Menschen in den Cafes erheben sich. Ich werde von ungefähr 10 Kindern auf Fahrrädern begleitet. Angetrieben vom Applaus und den Zurufen beginne ich wieder anzulaufen. Ich sehe die ehrenhafte  Statue des historischen Königs von Sparta und werde magisch von ihr angezogen. Nur noch ein paar Schritte. Ich verneige mich kurz und steige dann die 3 Stufen nach oben, um nach 32:41:52 Stunden mit der Berührung des Fußes den Läufer-Olymp zu erklimmen. 

Es folgt die „Krönung“ mit dem traditionellen Kranz aus Olivenzweigen und der Überreichung der Medaille. Direkt danach wurde ich  sofort von medizinischem Personal in Empfang genommen, die mich erstmal checken und auch eine Erstversorgung für die Füße und Beine durchführten. Der Betreuer des deutschen Teams versorgte mich mit einem Finisher Bierchen. Es war geschafft.Nur 165 der 280 hoffnungsvoll gestarteten Athleten haben das Ziel in Sparta erreicht. Ich platzierte mich als 54. der Gesamtrangliste und landete damit im vorderen Drittel aller Finisher.

Ich habe Jahre lang darauf  trainiert um weiterlaufen zu können als viele andere Athleten. Besonders dann wenn es zunehmend  schwerer fällt, wenn es schon eine Weile weh tut, wenn Körper und Kopf eigentlich nicht mehr wollen und es sich nur noch scheiße anfühlt. Ich habe gelernt mich mit diesen inneren Widerständen zu arrangieren, denn es ist bei Ultradistanzläufen jedes Mal  ein unerbittlicher Prozess bis die Ziellinie  dann endlich erreicht ist. Es ist wohl eine Mischung aus Ausdauer, Entschlossenheit, Sturheit, Durchhaltevermögen und  Willenskraft.  Tief im inneren will ich in solchen Momenten einfach nicht aufgeben. Ich profitiere dabei von starken Beinen, einem glücklichen Herz und einer belastbaren Seele. Kopf aus, weiter geht’s, Schritt für Schritt, Tritt für Tritt. Und es hat sich am Ende bisher immer gelohnt. Letztendlich habe ich genau davon beim Spartathlon profitiert. Ich war ohne ein Supporterteam angereist, habe mir nur einen groben Plan zurechtgelegt und mich alleine durchgekämpft. Ich habe meinem Körper in den vergangenen 3 Wochen mit diesen beiden doch sehr harten Wettkämpfen extrem viel abverlangt und ihn an die Grenzen seiner Leistumgsfähigkeiten gebracht. Ich kann ihm dafür jedoch keinen Preis verleihen, aber ich kann ihm das einzigartige Gefühl geben, etwas ganz besonderes geleistet zu haben. Dafür bin ich sehr dankbar!

Kalle

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