HW1-Albsteig Challenge – 360 Kilometer in 6 Tagen
Der Schwäbische Alb-Nordrand-Weg (HW 1) ist der älteste Hauptwanderweg des Schwäbischen Albvereins. Seit über 100 Jahren erfreuen sich Wanderer an den zahlreichen Sehenswürdigkeiten entlang des 360 Kilometer langen Wanderweges, der sich von Donauwörth über die gesamte Nordseite der Schwäbischen Alb bis nach Tuttlingen erstreckt. Der Weg entlang der Nordkante des Albtraufs ist bekannt für seine schmalen Pfade und spektakuläre Aussichten und gilt mit seinen Höhenmetern und steilen Passagen als konditionell äußerst anspruchsvoll.
Wofür Wandernde normalerweise zwei bis drei Wochen benötigen, hatte der Tourismusverband „Schwäbische Alb“ gemeinsam mit dem Schwäbischen Albverein erstmals eine Gruppe von Trailrunnern herausgefordert, den 360 Kilometer langen Alb-Nordrand-Weg (HW1) in nur sechs Tagen abzulaufen. Einer dieser auserwählten Runner war Karlheinz Dravec, der damit nicht nur den TSV Lichtenwald, sondern auch den Landkreis Esslingen repräsentierte.
Die weitern Teilnehmer waren Melanie Bernardino Rodrigo aus Geislingen, Angela Wegele aus Königsbronn und Manuel Schmied aus Laichingen. In Kurzform Kalle, Melli, Angi und Manu. Allesamt sehr erfahrene Trailrunner, denen das Bestehen der Challenge auch zugetraut wurde.
Ursprünglich waren fünf Läuferinnen und Läufer vorgesehen, doch zwei daraus mussten noch vor dem Start verletzungsbedingt zurückziehen. Angi rückte hier kurzfristig nach und kompensierte die entstandene Lücke im Running Team.
Hier Kalles Bericht:
Los ging es am 30. September in Donauwörth. Das Wetter zeigte sich von Beginn an durchwachsen, schon der Start wurde von leichtem Nieselregen begleitet. Es ging zunächst sanft los. Die ersten Highlights entlang der Strecke waren die Burg Harburg, Kloster Mönchsdeggingen, Ausblicke auf das Donau Ries, der Zeugenberg Ipf, Schloss Baldern und noch die Ruine Flochberg. Das erste Etappenziel war in Bopfingen nach 58,5 km und 1.100 hm erreicht.
Die Etappe 2 von Bopfingen bis nach Heubach entsprach 55,7 km / 1.460 hm. Das Wetter wurde zunehmend freundlicher. Highlights waren das Schloß Kapfenburg, der Kocherursprung, der Aussichtsturm Aalbäumle, der Aussichtsturm Volkmarsberg und kurz vor Ende der Etappe noch die Ruine Rosentein. Die Running Gruppe hatte sich vorgenommen möglichst zusammenzubleiben, auch wenn einer mal am Berg etwas schneller hoch laufen konnte oder auch ein anderer gerade mal eine kleine Fitnessdelle zu verarbeiten hatte, man blieb immer in Sichtweite zueinander. Denn ganz grundsätzlich ging es bei dieser Albsteig-Challenge ja nicht ums Gewinnen, sondern um die Lust am Laufen in der schönen Heimat der Schwäbischen Alb.
Die dritte Etappe von Heubach bis zur Burg Teck bei Owen, war nicht nur aufgrund der Distanz von fast 80 Kilometern und 2.700 Höhenmetern die sogenannte Königsetappe, sondern war zugleich die Querung der Landkreise Göppingen und Esslingen und somit die Hometrails von Melli und mir. Ab dem Hohenstein bei Gingen konnte man fast von jedem Aussichtspunkt aus bis nach Reichenbach/Lichtenwald blicken. Heimatgefühle pur!
Und es gab noch einige Highlights auf der Strecke. Hoher Fels, Himmelreich, Aussichtspunkt Messelstein, das Wasserberghaus, Boßler, die Burgruine Reußenstein, Breitenstein, Ruine Rauber und das Etappenende auf der Burg Teck. Wir waren an diesem Tag über 13 Stunden lang unterwegs und mussten auf den ersten Kilometern am frühen Morgen, als auch auf den letzten am Abend die Trails mit Stirnlampen ausleuchten. Aufgrund der sehr langen Laufzeit an diesem Tag, wurde die Etappe vom Veranstalter offiziell am Breitenstein für erfüllt erklärt. Doch Manu und ich wollten den HW1 bis zur Teck komplettieren und liefen die restlichen 8 Kilometer über die Ruine Rauber zur Teck hoch auch noch zu. Angi und Melli nutzen den bereitgestellten Transport. Aber auch die beiden hatten schon über 70 km in den Beinen,
Nach einer nur sehr kurzen Regenerationsnacht ging es am vierten Tag von der Teck aus in Richtung Schloß Lichtenstein bei Honau. Es sollte der schönste Tag werden. Der Albsteig bot auf diesen gut 55 km und 1.500 hm alles was das Sportler- aber auch Wanderer Herz begehrt. Burg Hohenneuffen, Uracher Wasserfall und Rutschenfelsen, Aussichtsturm Hohe Warte und unendlich lange und traumhaft laufbare Trails. Ein wahrer Genuss Tag der mit einem phantastischen Blick auf das Schloß Lichtenstein endete. Leider machten sich auf dieser Etappe bei Manu und Melli Belastungserscheinungen bemerkbar. Manu hatte Probleme mit dem Knie und Melli mit dem Sprunggelenk. Beide liefen die Etappe jedoch zu Ende. Durch diese aufkommenden Verletzung gehemmt, war man auch an diesem Tag über zehn Stunden lang unterwegs und hatte erneut nur wenig Zeit für Regenerationsmaßnahmen.
Die 5. Etappe begann mit dem direkten Aufstieg über den alpinen Pfad hoch zum Schloss Lichtenstein. An der Nebelhöhle vorbei ging es die ersten 14 Kilometer in Richtung Bolberg. Dort angekommen musste Manu aufgrund der Schmerzen die Challenge schweren Herzens beenden. Es ging einfach nicht mehr. Zudem zogen dunkle Wolken am Himmel auf und sehr böiger Wind setzte ein. Und dann wurde es richtig heftig. Während wir verbliebenen Drei uns fast ständig zwischen 800 und 1000 Metern Höhe direkt an der Nordkante des Albtraufs bewegten, wurde ein heftiger Sturm mit Starkregen zum undankbaren Begleiter. Mit dem Sturm sanken auch die Temperaturen fast auf den Nullpunkt ab. Es war nass, kalt, rutschig, matschig, glitschig und die Bedingungen einfach nur widerlich. Und damit nicht genug. Bei diesem Wetter versagte auch die Technik. Die gespeicherten GPX Routen stimmten mit der HW1-Ausschilderung nicht überein. Telefonjoker ging auch nicht, da die Handys zu bedienen bei der Nässe unmöglich war. Und die mangelhafte Mobilfunkausleuchtung dort oben erschwerte eine Kontaktaufnahme zur Basis zusätzlich. Wir mussten irgendwie in Bewegung bleiben, den Körper auf Temperatur halten um nicht auszukühlen. Also liefen wir einfach weiter und weiter und versuchten, trotz dass der ganze Wald wackelte, uns irgendwie an der Ausschilderung zu orientieren. Nach gut 40 Kilometern war eine Verpflegungsstation angekündigt. Angi und Melli nutzen eine etwas frühere Abstiegsmöglichkeit um möglichst schnell ins warme zu kommen. Ich lief die Originalroute weiter. Wir wollten uns am VP treffen. Doch diesen fand ich irgendwie nicht. Nachdem ich das Dorf fast halb umrundet hatte, schaffte ich es mit großer Mühe doch irgendwie mein Handy zu aktivieren und einen der Begleiter anzurufen. Dieser meinte, er wäre auf dem Weg zum VP um die beiden Mädels dort abzuholen, da diese so durchfroren waren und den Weg an diesem Tag nicht fortsetzen konnten. Also entschied ich mich direkt ohne VP-Support weiterzzulaufen um auch noch die verbleibenden 15 km zu schlucken. Kurz vor dem Etappenziel am Nägelehaus bei Albstadt zeigte der Wettergott erbarmen, hielt den Regen mal kurz an und eröffnete mir einen einzigartigen Blick auf die Burg Hohenzollern. Fühlte sich wie eine Belohnung an. Da völlig durchnässt konnte ich es jedoch nur kurz genießen. Als ich im Nägelehaus ankam, war nur Angi bereits da. Doch Melli hatte sich hinter mir nochmal in Bewegung gesetzt um auch diese Etappe zu beenden. Sie kam dann gut 1,5 Stunden nach mir an, hatte dabei aber auch ihr lädiertes Sprunggelenkt weiter strapaziert.
Noch eine Etappe war offen, allerdings nochmal mit über 70 km und 2.500 hm. Also ein dickes Brett. Und die Wetterprognose war auch nur semioptimal. Wer wollte noch, wer konnte noch? Und wann laufen wir los? Wir hatten ja bereits 300 km in den Waden und das Zeugs vom heutigen Tag konnten wir auch nicht mehr trocken bekommen. Melli wollte erst am Morgen entscheiden ob es für sie weiter ging. Und sie stand dann tatsächlich auf der Matte. Da wir noch vor 7 Uhr loslaufen wollten, gab es auch kein Frühstück. Der erste offizielle VP konnte erst bei km 25 organisiert werden. Also nach gut 4 Stunden. Und der Sturm blies fröhlich weiter vor sich hin. Mal mit Regen, aber auch mal für ein paar Minuten ohne. Ein absoluter Aprilwetter Sonntag im Oktober. Dank des Filmteams, welches uns die ganzen Tage lang begleitete und an bestimmten Punkten immer wieder auflauerte, konnten wir uns schon früher ein Frühstückchen an die Strecke liefern lassen. Das war so wichtig.
Doch der böige Wind machte jeden noch so kurzen Stopp extrem ungemütlich. Also weiter, immer weiter. Am VP bei km 25 angekommen war dann auch für Melli Schluss. Rein muskulär wäre es noch gegangen, doch die Schmerzen im Sprunggelenk wurden unerträglich. Und es waren ja noch 50 Kilometer und 1.500 Höhenmeter zu laufen. Mit Tränen in den Augen setzten dann nur noch Angi und ich den Weg über den HW1 fort. Der ständige Wetterwechsel zehrte an den Kräften. Obwohl Sonntag, trafen wir den ganzen Tag lang, ausser an den VP´s, kaum auf eine Menschenseele. Und natürlich konnten wir auch einen noch so kleinen Anstieg nur noch im Gehmodus bewältigen. Die eigentlichen Highlights auf der Strecke, Aussichtspunkt Böllat, Tieringer Hörnle, Lochenstein usw, nahmen wir nur noch im vorbeilaufen wahr. Einzig dem Aussichtsturm auf dem Lemberg (höhster Punkt 1.015 müM) ließ ich mir nicht entgehen. Angi hatte keine Lust drauf. Aber hey, ich hatte 6 Tage lang mit über 350 km Anlauf genommen und wollte da jetzt auch hoch. Ich musste alles gut verstauen und mich mit beiden Händen festhalten. Als ich oben war, hatte ich Tränen in den Augen. Nicht aufgrund von Emotionen, sondern vom eiskalten Wind. Aber die 360 Grad Aussicht war schon auch einmalig. Schnell wieder runter und auf den letzten 30 km zum Endspurt ansetzen. Musste dazu ja auch Angi erst mal wieder einholen. 10 Kilometer vor Tuttlingen bekamen wir nochmal eine volle Breitseite der rauen Alb ab. Aber das konnte uns nun auch nicht mehr stoppen. Und irgendwie war es dann schon auch richtig kitschig, als uns der Albsteig etwas oberhalb von Tuttlingen endgültig ausspuckte. Es war Sonntag Abend Punkt 19 Uhr, Kirchenglocken läuteten, auf der einen Seite sahen wir noch die letzen Momente eines Sonnenuntergangs und auf der anderen Seite stieg der Vollmond empor. Irgendwie magisch – genauso wie es die vergangen 6 Tage waren. 100% Schwäbische Alb!
Die letzten 2 Kilometer ging es bis auf Asphalt bis in die Stadtmitte hinein. Dort wurden Angi und ich am offiziellen Endpunkt der Route von Heiko Zeeb, Themenmanager Wandern beim Schwäbische Alb Tourismusverband (SAT) und Leiter der Challenge, offiziell Empfangen und für unsere außergewöhnliche Leistung geehrt.
Fazit: „Wir haben die Challenge nicht nur bewältigt, wir haben sie gefeiert – mit allem, was dazugehört: Lachen, Schweiß, ein paar Tränen und ganz viel Zusammenhalt“, lautete das gemeinsame Fazit der Gruppe. „Unsere Tage waren lang, die Alb zeigte sich mal sanft und auch sehr rau, aber die Stimmung innerhalb unserer Gruppe war immer supergut. Wir haben als Team top harmoniert und uns allen einen Alb-Traum erfüllt.“
Ein grandioses Team war da unterwegs. Auch wenn Manu und Melli nicht ganz bis nach Tuttlingen laufen konnten, haben sie beide dennoch ein echtes Brett abgeliefert und kurieren ihre Blessuren hoffentlich schnell aus.
Abschluss: Der HW1 bietet alles für einen oder auch mehrere abwechslungsreiche Tage auf der Schwäbischen Alb. Egal ob gemütlich oder sportlich, man findet ausreichend Strecken für jeden Anspruch. Der Albsteig deckt hier direkt vor der Haustür fast alles ab, was das Trailrunning so attraktiv macht, auch mit deutliche kürzeren Distanzen denn bei der Challenge.
Ein weiteres Laufabenteuer, welches sicher einen festen Platz in meinen Lauf-Memoiren bekommt.