Pierre Heim ist Deutscher Meister im Para Marathon
Ende September wurden im Rahmen des traditionellen Berlin-Marathon auch die Deutschen Para Meisterschaften für körperlich eingeschränkte Leichtathleten ausgetragen. Dabei konnte sich in der Kategorie der Sehbehinderten, der blinde LIWA-Läufer Pierre Heim, an der Seite seines Führungsläufers Marcel Rattay, mit einer Laufzeit von 3:47:49 Stunden den Titel des Deutschen Meisters sichern. Es war Pierres erst dritter offizielle Marathon. Pierre ist im Herbst 2021 durch eine Aktion des Guide-Netzwerks Deutschland beim TSV Lichtenwald auf den Laufsport aufmerksam geworden.
Der LIWA-Lauftreff verfügt über eine Vielzahl an geschulten Laufbegleitern, sodass jederzeit jemand zur Verfügung stand um mit blinden Läufern zu trainieren. Pierre konnte sich Dank der vielfältigen Unterstützung schnell entwickeln. Seinen ersten Marathon überhaupt lief Pierre, geleitet von LIWA-LaufTreff Trainer Daniel Guggenmos, im Oktober 2023 in Köln. Den zweiten, deutlich anspruchsvolleren, meisterte er im April darauf an der Seite von Johanna Banck-Burges beim LIWA-LaufEvent. Dafür musste bereits im Vorfeld das Laufen auf Waldböden und auch ein paar Höhenmeter antrainiert werden. Weitere fünf Monate später stand er nun an der Startlinie der größten Marathon Veranstaltung weltweit – in Berlin.
Um sich ernsthafte Chancen auf eine Medaille im Rahmen der Deutschen Para Meisterschaften auszurechnen, musste eine Laufzeit von unter 4 Stunden anvisiert werden. Ein Tempo welches auch der Großteil der LIWA-Läuferinnen und Läufer noch nie gelaufen sind. Hier boten sich dann völlig selbstlos die beiden aktuell schnellsten Lichtenwalder Athleten Marcel Rattay und Michal Sosnica als Laufbegleiter an. Beide sind ebenfalls geschulte Guides. Marcel bot sich zudem als Führungsläufer beim Berlin Marathon an und erstellte einen Trainingsplan. Während der Trainingsmonate standen auch noch zahlreiche weitere Laufbegleiterinnen und Begleiter aus dem Pool des LIWA-Lauftreffs zur Verfügung. Diese Vielfalt und Abwechslung in der Trainingsintensität waren extrem förderlich und halfen dabei Pierre bestens auf das ambitionierte Ziel vorzubereiten.
Der Berlin Marathon ist für unzählige Läuferinnen und Läufer ein ganz besonderer Marathon. Das Interesse ist riesengroß. Mit 58.000 Teilnehmer und über eine Million Zuschauern an den Straßen zählt er zu den 3 größten Marathons der Welt. Doch während genau dieses Spektakel auf und neben der Strecke für große Emotionen sorgt, ist das für die blinden Athleten eine noch größere Herausforderung. Sie sind extrem auf ihr Gehör angewiesen. Man startet und läuft von Beginn an im Feld aller anderen Teilnehmer. Es gibt da keinen Bonus oder eine extra Linie für die Para Leichtathleten. Der Lärm der Zuschauer, von Musikgruppen und anderen Quellen neben der Strecke beeinträchtigen die Wahrnehmung extrem. Es geht dabei nicht nur um die Kommandos des Laufbegleiters, sondern um die frühzeitige Wahrnehmung was um einen herum so passiert. Wie weit sind andere Läufer entfernt, wie hört sich das Straßen Profil an, liegen Hindernisse wie z.B. weggeworfene Trinkbecher im Weg. Um das alles richtig einordnen zu können, gilt es die Konzentration über die gesamte Laufzeit hinweg hochzuhalten. Das ist bei dieser Laufgeschwindigkeit ein enormer Stresstest für den blinden als auch für den sehenden Läufer. Das Lauftandem ist lediglich durch ein etwa 20 cm langes Band an den Händen verbunden. Hier ist das gegenseitige Kennen und Vertrauen ein Schlüsselfaktor. Pierre konnte Marcel im wahrsten Sinne des Wortes „blind“ vertrauen.
Das LIWA-Tandem fand gut in den Lauf. Es dauerte zwar etwas bis man sich aus der Startmasse heraus etwas Luft verschaffen konnte und lief von Beginn an sehr konstante Kilometerzeiten. Zur Halbzeit überquerte man die Zeitmatte nach 1:52:01 Std. was schon auf eine Zielzeit von unter 4 Stunden hindeutete. Die Aufmerksamkeit und positive Resonanz für die Lauf-Tandems auf der Strecke war groß. Von allen Seiten her wurde großer Respekt für die Leistung kundgetan. Nach gut 25 Kilometern machten sich leichte Erschöpfungsanzeichen bemerkbar. Die Kilometerzeiten wurden erwartungsgemäß etwas langsamer, doch auf den letzten 2 Kilometern konnte Pierre nochmal alle Kräfte mobilisieren und zum Schlusssprint anziehen. Es ging nur noch geradeaus und unter dem Brandenburger Tor hindurch in Richtung Ziellinie. Mit der beeindruckenden Zielzeit von 3:47:49 Stunden finishte Pierre nicht nur im vorderen Drittel aller Teilnehmer, sondern gewann auch mit deutlichem Vorsprung die Deutsche Meisterschaft der Para Leichtathleten in der Kategorie mit Sehbehinderung.
Nachdem die Vereinskammeraden Kalle Dravec, Wolfgang Hohlbauch und Gunther Krapf nur eine Woche später bei den Deutschen Meisterschaften im Ultra-Trail-Run ebenfalls aufs Treppchen liefen, kann sich der TSV Lichtenwald mit Gold, Silber und Bronze über einen kompletten Medaillensatz bei Deutschen Meisterschaften erfreuen.