AK-Bronze bei der Deutsche Meisterschaft im Ultratrail Running
Ursprünglich war auch ich für den kompletten Zugspitz Ultratrail über die 108 km angemeldet. Ende Februar wurde bekannt gegeben, dass auf der etwas kürzeren Supertrail XL Strecke die diesjährigen Deutschen Meisterschaften ausgetragen werden sollten. Normalerweise nehme ich an solchen Meisterschaften eher nicht teil und trainiere da auch nicht gezielt darauf. Doch da ich dann sowieso zum selben Termin den Lauf in Garmisch eingeplant hatte, wollte ich die Chance nutzen eben auch mal an einer Deutschen Meisterschaft teilzunehmen. Also meldete ich mich entsprechend um.
Dennoch machte ich kein spezielle Vorbereitung darauf. Ich hatte im Vorfeld noch ja noch andere Highlights wie den Albtraum 100 und die TorTour de Ruhr im Programm und das große Ziel in diesem Jahr ist nochmal der Trans Alpine Run im September. Als grobes Ziel setzte ich mir eine Laufzeit zwischen 12 bis 14 Stunden bw. eine Zielankunft noch bei Tageslicht.
Der Start zur Deutschen Meisterschaft erfolgte am Samstag um 8:00 Uhr in Grainau, das Ziel war wie bei allen anderen Wettbewerben auch am Kurpark in Garmisch-Partenkirchen. Im knapp 200 Teilnehmer/innen großen internationalen Starterfeld befanden sich zahlreiche Titelsammler und ehemalige Deutsche Meister/innen in dieser Disziplin. Die prominenteste Athletin war sicher die Marathon Olympia (2016) Teilnehmerin Anna Hahner (Hahner Twins), die vor ca. 2 Jahren vom Straßen-Marathon ins Ultra-Trailrunning umgestiegen ist.
Ich trat in der Alters-Kategorie Senioren M55 an und sah mich durchweg von ambitionierten bis unschlagbaren Trailrunning Spezialisten umgeben. Ausgerechnet in meiner Altersklasse befindet sich aktuell auch Michael Sommer (EK Schwaikheim) der nicht nur Vizepräsident der Deutschen Ultra Vereinigung (DUV) ist, sondern zudem auf eine extrem erfolgreiche, mit zahlreichen Deutschen und Weltmeistertiteln gespickten Historie im Ultra-Distanz-Laufen verweisen kann.
Da sich Michael und ich schon aus früheren Begegnungen gut kennen, war es fast schon selbstverständlich, dass man „auf Augenhöhe“ ins Rennen startete. Zu uns beiden gesellte sich noch Ralf Steißlinger vom TSV Kusterdingen. Im Dreiergespann liefen wir im selben Tempo und wechselten uns stetig in der Führungsarbeit ab. Die erste Station war der Eibsee, es folgte der erste steile Anstieg hoch zur Gamslam und weiter sehr kräftezehrend hoch auf den 2.200 m hohen Wannigsattel wo nach 25 Kilometern und 2.100 positiven Höhenmetern in den Waden auch der höchste Punkt der Strecke erreicht war. Laufzeit bis hierhin 3:45 Stunden. Wir nutzen eine kleine Verschnaufpause um noch ein schönes Gruppenselfie in dieser beeindruckenden Gegen zu machen. Beim anschließenden Downhill in Richtung Hämmermoosalm machten sich bei mir doch erste muskuläre Probleme bemerkbar. Der Abstieg war steil, mit ständig wechselndem Untergrund und erforderte aufgrund des losen Gerölls hohe Trittsicherheit. Auch wenn sich unter den Trailrunnern gerade in so losem Terrain hartnäckig der Spruch „Geschwindigkeit bringt Sicherheit“ etabliert hat, besann ich mich darauf einen muskelschonenderen Laufstiel zu wählen und ließ die beiden anderen davonziehen. Da Michael und Ralf dann auch schnell außer Sichtweite waren, gönnte ich mir am Verpflegungspunkt bei der Hämmermoosalm eine fast 10 Minütige Pause. Beim folgenden Anstieg hoch zum Scharnitzjoch (2.050 m) war man der vollen Mittagssonne ausgesetzt. Temperaturen deutlich über 30 Grad setzten dem Körper zusätzlich zu. Schattige Abschnitte waren absolute Mangelware. Nach dem Scharnitzjoch ging es wieder 1.000 technisch herausfordernde Höhenmeter runter in Richtung Leutascher Ache. Schwerstarbeit für die eh schon glühende Oberschenkelmuskulatur. Aber beim Trailrunning verliert man die Zeit nicht beim bergauflaufen, sondern eher im Downhill. Ganz nach dem Motto wer bremst verliert. Leider musste man sich die teilweise schmalen Trails mittlerweile mit den langsameren Läufer der kürzeren Wettbewerbe teilen. Beim Überholvorgang kann es da für alle Beteiligten immer wieder zu kniffligen Situationen kommen. Das funktioniert nur mit voller Konzentration, hoher Achtsamkeit und Rücksicht aufeinander. Am nächsten VP angekommen erhielt ich die Information, dass ich mich aktuell auf Position 19 im Gesamtfeld befinde. Aber es lagen ja noch 35 Kilometer und weitere 800 Höhenmeter vor mir.
Die folgenden 10 km führten flach an der Leutascher Ache bis nach Mittenwald entlang. Immerhin überwiegend durch gut bewachsenes Gebiet mit langen schattigen Passagen. Hier fand ich wieder in einen guten Laufrhythmus und konnte die Strecke komplett ohne Gehpausen bis zum VP am Schützenhaus in Mittenwald durchlaufen. Mittlerweile war ich 8:45 Stunden unterwegs. Also ein ganz normaler Arbeitstag. Doch heute waren Überstunden angesagt. Da die restliche Strecke nur noch aus etwas mehr als eine Halbmarathon-Distanz und aus technisch weniger anspruchsvollem Geläuf bestand, schien sogar eine Zielzeit von unter 12 Stunden durchaus im Machbaren zu sein. Weiter ging es am Ufer des Ferchensees vorbei in Richtung Schloss Elmau, wo noch vor wenigen Tagen der G7-Gipfel abgehalten wurde. Direkt danach folgte der letzte Anstieg. Nochmal 300 Höhenmeter. Und da zog es mir dann den sogenannten Stecker. Ich fühlte mich schlagartig total müde und kraftlos. Gefühlt kam ich kaum noch vom Fleck. Zu jedem einzelnen Schritt und Tritt musste ich mich zwingen. Das eben erst erhoffte Zeitziel von 12 Stunden entglitt mir praktisch aus dem Körper. Erst als zwei Läufer die ich kurz vorher mal überholt hatte so richtig locker an mir vorbeizogen, konnte ich die Widerstände des Körpers kopfmäßig überwinden und mich zurück in die Spur bringen. Flach und runter funktionierte das Laufen wieder und ich überholte die beiden, doch jede noch so kleine Welle musste ich wieder in den Gehschritt und die beiden marschierten wieder an mir vorbei. Dann kam endlich der letzte Verpflegungspunkt an der Bergstation der Eckbauer Bahn. Noch 8 Kilometer.
Hier oben hörte man auch schon den Stadionsprecher und die Musik aus dem Zielbereich. Ich nahm nur einen Schluck verdünnte Cola und lief direkt weiter. Ein Streckenposten rief mir zu, dass jetzt nur noch bergab gehen würde. Yeah, das kann ich. Aber die folgenden 5 Kilometer verliefen auf einer sehr steilen und bockelharten Asphalt Straße hinunter bis nach Garmisch. Die Oberschenkelmuskulatur fand das weniger Yeah! Egal, das Zielbier lag schon in der Luft. Am Stadtrand angekommen nahm ich den Schwung aus dem letzten Downhill mit und setzte zum Schlusssprint an, sofern man das da noch so erkennen konnte. Doch diese letzten 3 Kilometer entlang der Bahnlinie und am Rande der Olympiaschanze vorbei wollten nicht enden. Noch eine Ecke, noch eine Kurve, nochmal 500 Meter Umweg um über eine Brücke (Treppen!) zu laufen , anstatt über eine Ampel die Straße zu queren. Puh… wo war jetzt das Ziel nochmal?
Endlich ging es auf die finalen 300 Meter, die Zuschauermenge wurde immer dichter, Finisher Lächeln aufsetzen, Hände abklatschen, den Freunden und Bekannten zuwinken, noch eine Kurve, Zielbogen und über die Zielmatte. Geschafft mit einer kaum für möglich gehaltenen Laufzeit von 11:40:23 Stunden. Etwas erschöpft aber voller Stolz lasse ich mir die Finisher Medaille umhängen.
Am Ende bin ich unter allen Läufer als 19. der Gesamtwertung des Supertrail XL Wettbewerbes ins Ziel gekommen.
In der Wertung der Deutschen Meisterschaft wurde ich 12. des Gesamtklassements und gewann letztlich noch hinter Michael Sommer und Ralf Steißlinger als 3. die Bronze Medaille in der AK Senioren M55.
Die Siegerehrung am nächsten Tag auf der großen Bühne im Kurpark und mit der Deutschen Nationalhyme war dann doch auch ein bisher einmaliges Erlebnis für mich.