4. Alb-Traum 100 am 20. Mai 2023

  21.05.2023
Der Erfahrungsbericht von Martin Dunker

Einen Lauf über 100 km wollte ich schon lange ausprobieren. So viele aus dem Verein hatten inzwischen einen oder mehrere absolviert, also scheint diese ja erstmal abschreckend lange Distanz machbar zu sein. Blut geleckt hatte ich vor rund zwei Jahren, als Kalle zum 24 h-Lauf in Lichtenwald aufgerufen hatte. Dort hatte ich meinen ersten Ultra bestritten und die rund 80 km liefen gut, abgesehen vom tierischen Muskelkater die nächsten Tage. Kurz gesagt, der Alp-Traum 100 sollte dieses Jahr meine neue Herausforderung und mein Laufhighlight werden. Um auch ordentlich vorbereitet zu sein, lief ich in den Monaten davor je über 400 km. Dies wirkte sich auch positiv auf meine Laufzeiten bei den drei (kurzen) Wettkämpfen aus, an denen ich in dieser Zeit teilnahm. Lange Rede kurzer Sinn, der Tag des Alb-Traums stand bevor. Am Vorabend gab es die Startnummernausgabe, ein paar Infos zum Lauf und ein gemeinsames Abendessen; alles in der Jahnhalle in Geislingen. Alles war super organisiert und die Stimmung unter den Läufern sehr herzlich und von Konkurrenzdenken keine Spur. Dieser an Teilnehmern gemessene doch recht kleine Lauf, macht aber große Schlagzeilen dadurch, dass das gesamte Startgeld für wohltätige Zwecke gespendet wird. So ließen es sich dann sogar der Göppinger Landrat und auch der Oberbürgermeister von Geislingen nicht nehmen ein paar Dankesworte an die Läufer und Organisatoren zu richten. Letzterer machte sogar am nächsten Tag beim Halbtraum selber mit. Nach dem Essen hatte man die Möglichkeit in der Turnhalle bis zum Start um 4 Uhr morgens zu übernachten, was aber nur wenige in Anspruch nahmen. Ich selber fuhr auch nach Hause, war aber so aufgeregt, dass ich fast die ganze Nacht über wach lag und nur rund 1,5 Std. echten Schlaf bekam. Um 3 Uhr morgens ging es also wieder Richtung Geislingen, die Müdigkeit war komplett verflogen, die Aufregung über die Schaffbarkeit dieser 115 km, inkl. noch ca. 3.400 hm, stand im Vordergrund. Neben mir waren die Vereinskollegen Oliver, Wolfgang, Gunther, Ulli, Klaus und Johanna mit am Start. Für Johanna, Ulli, Klaus und mich war der Albtraum 100 völliges Neuland. Oliver, Wolfgang und Gunther hatten diesen Lauf bereits letztes Jahr schon einmal absolviert. Der Start begann, alle rund 70 Albträumer begaben sich mit Stirnlampen durch das stille Geislingen. Der erste Kilometer ging geführt als Pulk bis zum Beginn des Albtrauf-Wanderwegs, wo der freie Lauf dann eröffnet war. Ich reihte mich in der Mitte ein und lief bis zum ersten VP Ave Maria bei km 15 oft zusammen mit Ulli. Unterwegs wurde es schnell heller und ein kleiner Sonnenaufgang konnte bestaunt werden. Nach kurzer Stärkung am VP ging es weiter, wobei ich schon eher zu denen gehörte, die sich dort länger aufhielten. Auf dem Weg zum VP 2 Gosbach bei km 27 lief ich dann für mich bzw. abwechselnd mit anderen Läufern, mit denen man auch immer mal kurz ins Gespräch kam. In Richtung VP 3 Papiermühle, der bei km 42 lag, holte ich auch irgendwann die Herren Oliver, Wolfgang und Gunther ein. Mit diesen lief ich ein Stück zusammen, setzte dann aber meinen Weg irgendwann alleine weiter fort. Aber an der Verpflegungsstation hatten sie mich wieder eingeholt, da ich dort, wie bereits geschrieben meistens etwas länger war. Für einfach nur kurz was trinken war das Angebot dort aber auch einfach zu gut. Es gab Gurken, Tomaten, Wurst, Käse, Banane, Apfel, Melone, Schokolade, Gummizeugs etc. und alles schön in mundgerechten Häppchen. Dazu natürlich Wasser, warmen Tee, Iso, Cola und sogar Radler. Und die fleißigen Helfer waren alle super nett und herzlich. So wurde einem teilweise sogar die Trinkflasche wieder aufgefüllt. Vom VP 3 bis kurz hinter den Filsursprung lief ich wieder mit den drei Jungs zusammen, startete dann aber wieder durch. Auf dem weiteren Weg zum VP 4 Eckhöfe (km 53) traf ich dann auch auf die erste Frau. Diese war übrigens die Vorjahressiegerin des Halbtraums und hatte am Vorabend noch einen kurzen Vortrag gehalten. Dort hatte sie u.a. den Tipp gegeben, immer nur von VP zu VP zu denken und nicht an die Gesamtstrecke. Dieses Vorgehen klappte bei mir auch prima. Auf diese tollen VPs konnte man sich ja auch wirklich freuen. Mit kurzem Vorsprung erreichte ich VP 4 und ließ es mir gut gehen. Kurze Zeit später kam die Melli dann auch dort an und lief vor mir wieder los. Auf meinem Weg zum VP 5 Eckwälden (km 66) lief ich dann wieder an ihr vorbei und sie holte mich wieder bei meiner ausgiebigen Verpflegung dort ein und lief auch noch wieder zwei Minuten eher los. Lustiges Spielchen. Losgelaufen war ich, wie fast alle, mit Stöcken. Allerdings störten diese auch teilweise bei den nur welligen Passagen. Aber Lust zum Ein- und ausklappen und Verstauen hatte ich keine. Dies hatte ich einmal probiert und die ganze Zeit drückten die am Laufrucksack befestigten Stöcke und piekten mich in die Seite. Da am VP 5 auch die Dropback-Station war, überlegte ich zwischenzeitlich die Stöcke dort zu deponieren. Dies verwarf ich aber schnell wieder, nachdem ich auf einem sehr anspruchsvollem Trailstück mit dem linken Fuß umknickte. Das tat weh. Für kurze Zeit schoss mir durch den Kopf, dass jetzt alles aus sei und ich aufhören muss. Aber nach kurzer Humpelphase lief ich weiter und nutzte die Stöcke zur Entlastung. Letztlich ließ ich lediglich meine warme Kleidung vom Morgen an der Station und auch meine Trailschuhe behielt ich an und wechselte nicht auf das andere Paar, dass ich dort vorsorglich deponiert hatte. Die Stirnlampe ließ ich aber vorsichtshalber doch noch bei mir. Man weiß ja nie. Aber weiter zum Rennen. Die erste Frau wollte ich doch nun wieder einholen auf dem Weg zum VP 6 Gairen (km 82). Aber ich schaffte es nicht. Bei jedem Anstieg, wo man weit nach oben schauen konnte vermutete ich sie zusammen mit ihrem Begleiter, aber sie waren nicht zu sehen. Ja, kann das denn sein? Bin ich so langsam geworden? Haben die so Gas gegeben? Dies waren letztlich meine Gedanken bis zum VP 6. Dort angekommen fragte ich sofort nach der ersten Frau, aber die war noch nicht da. Aha, dachte ich, unterwegs verquatscht und nicht auf die Beschilderung geachtet. Das war nämlich die Tage vor dem Lauf meine größte Sorge, bei dieser wahnsinnigen Streckenlänge und diesem ständigen rauf und runter, zwischendurch nicht den richtigen Weg zu finden. Aber diese Sorge war unbegründet. Die gelben Albtraufgängerzeichen waren gefühlt an jedem 3. Baum aufgezeichnet und auch der Track auf der Uhr half sehr beim Navigieren. Und so hatte ich mich auch nie verlaufen. Bei den vielen Solokilometern die ich so abspulte, gab es neben der wunderschönen Landschaft nie Langeweile, da ich ständig nach den Markierungen auschau halten musste. Es ist inzwischen 14 Uhr und die Sonne war schon länger draußen. Nach über 80 km machen sich die ersten größeren Ermüdungserscheinungen breit. Wie spät es tatsächlich unterwegs war, habe ich aber überhaupt nicht wahrgenommen und auch bewusst nicht danach geschaut. Mein Ziel war immer nur der nächste VP. Zwischendurch blieb ich natürlich auch ab und zu mal stehen um die schöne Natur und/oder Aussicht zu genießen und das ein oder andere Selfie zu machen. Am VP 6 traf ich auch auf Andreas (der eigentlich mit Kalle zusammen diesen Lauf machen wollte). Auf dem Weg zum VP 7 Kuchberg (km 91) holte ich ihn irgendwann ein, lief ein wenig mit ihm zusammen und setzte dann meinen Weg alleine weiter fort. Allerdings merkte ich ab jetzt meine Oberschenkel mehr als deutlich. Ich hätte es nie erwartet, dass ich bei einem Lauf mal sage, dass ich mich über Steigungen freute. Aber ab nun an hasste ich jeden Abschnitt wo es bergab ging und freute mich über alle Steigungen, da sie die Oberschenkel schonten. Der Weg zum VP 7 war kräftezehrend, besonders das fiese steile Stück über den Burren. Oben wartete dann noch nett lächend eine Fotografin. Gott sei Dank kam kurz danach der nächste VP, denn meine Wasservorräte waren schon fast alle. Lustig fand ich, dass ein Albträumläufer am VP 7 zu mir meinte, ich sähe noch total frisch aus, wie ich das denn mache? Naja, konditionell fühlte ich mich ja auch gut, aber die Oberschenkel... Dieser Läufer war dann übriegens aber selber wohl noch recht fit, immerhin kam er mit fast 30 min. Vorsprung vor mir ins Ziel. Seit dem VP 6 wurde es übrigens wieder etwas voller auf der Strecke, da ab hier die Halbträumer von ihrer Strecke wieder auf die Albtraum 100-Strecke geschickt wurden. Leander und Walter, die sich für die Halbtraumstrecke entschieden hatten, sah ich allerdings nicht, sie waren zu weit vor mir. Aber Cornelia und Claudia traf ich zwischendurch. Viele Halbtraumwanderer konnte ich nun ab und an überholen. Wobei ich ja ehrlich sein muss und auch sehr, sehr oft wandern musste, weil es muskulär nicht mehr ging. Auf dem Weg zum letzten VP vor dem Ziel, dem VP 8 Geislingen Station (km 106) überquerte ich die für mich magische 100 km-Grenze, die auch netterweise mit einem Pappschild gekennzeichnet war. Kurz darauf gab meine Uhr den Geist auf. Sch… Dabei hatte ich doch extra einen Powerpack dabei um dies zu verhindern. Mühsam hantierte ich also gehender Weise mit halb offenem Rucksack, Stöcken unter den Achseln, Kabeln zwischen den Zähnen und den Händen mit dem Einstöpseln des Packs beschäftigt, herum. Nachdem die Uhr und die Navigation wieder liefen, war natürlich meine gestoppte Strecke von vorher als abgeschlossen markiert und ich musste von neuem starten. Na toll. Egal, es ging wieder bergrunter, zum Jahnstation, und die Oberschenkel machten einen "Freudentanz". An diesem VP kam ich inzwischen schon ganz schwindelig an und war kurz vorm umfallen. Wieder zu wenig Wasser dabeigehabt. Aber nach ausgiebiger Stärkung ging es zum „Endspurt“ zum Ziel, der Jahnhalle (km 115). So langsam wurde es Abend und die Sonne stand schon recht tief. Im zu durchquerenden Felsenmeer war es auch schon recht schattig und es wimmelte nur so von Mücken, die dann auch überall an Armen und Beinen kleben blieben. Aus dem Wald heraus- und oben angekommen fehlten nur noch 6 km bis zum Glück. Inzwischen musste ich sehr viele Gehpausen einlegen. Und der Abstieg von der Burgruine Helfenstein hinunter in die Stadt war echt die Hölle. Wie gerne wäre ich den kompletten letzten Kilometer gelaufen, was ich konditionell auch sicher geschafft hätte, aber die Oberschenkel schrien mich an es zu lassen. So ging ich dann diesen letzten km zusammen mit einem Halbträumer dem Ziel entgegen. Wahnsinn, es war 19:04 Uhr und nach 15 h und 4 min hatte ich es geschafft und damit noch vor Sonnenuntergang. Dazu war ich sogar noch als 8. im Ziel. Auch damit hätte ich nicht gerechnet. Im Zielzelt gab es dann auch sofort eine schöne Holzmedaillie, die persönliche Urkunde (ausgestellt von den Vorjahressiegern, die sich beim diesjährigen Lauf ehrenamtlich bei der Veranstaltung engagierten) und einen Siegerschnaps. Die Duschen anschließend waren zwar kalt, aber dass soll ja bekanntlich die Regeneration fördern. Wobei es wohl nicht ganz so schnell geholfen hat, da ich die nächsten drei Tage die Stufen bei uns zu Hause immer nur rückwärts hinunter gehen konnte. Der linke Fußknöchel war auch sehr dick geschwollen und ich hatte Muskelkater im linken Unterarm, vom Stöcke tragen. Aber das war alles egal, die Erinnerung an diesen landschaftlich wunderschönen, sehr abwechslungsreichen Lauf wird für immer bleiben. Rund eine Stunde nach meiner Zielankunft kamen auch Wolfgang, Oliver und Gunther ins Ziel. Und kurze Zeit später auch die beiden Halbträumer Cornelia und Claudia. Um 21:11 Uhr hatte es Ulli geschafft, noch mal zwei Stunden dahinter Klaus und um halb drei war auch Johanna glücklich im Ziel angekommen. Meinen Respekt an alle die, die diese Strecke in unter einem Tag gemeistert haben.

Und jetzt? Nächstes Jahr werde ich vielleicht mal den Halbtraum mitlaufen und dann versuchen, diese Strecke auch wirklich zu laufen, ohne Stöcke und möglichst ohne Gehpassagen.

Du hast wirklich bis hierhin gelesen. Auch dafür meinen Respekt.

erstellt von Martin Dunker

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